Montag, 15. Januar 2018
Feminismus und "alternative facts"
In seinem Wahlkampf hat Donald Trump oft von "alternative facts" gesprochen. Manchmal kam es mir so vor, als hätte die Rechte damit Methoden des Feminismus, der postkolonialen Theorie, generell der linken Kritischen Theorie übernommen, die in den vergangenen Jahren oft versucht hat, Fakten zu "dekonstruieren".

Ein Beispiel ist die US-amerikanische Politologin Iris Marion Young, die in ihrem Buch "Global Challenges" reflektiert, wie in der US-amerikanischen Geschichtsforschung versucht wurde, den Gründungsmythos der USA zu dekonstruieren. Dort wird beschrieben, wie die "Iroquois Federation", ein zwischenstaatliches Gebilde der Indianer, teilweise Vorbild für die Schreiber der US-amerikanischen Verfassung war.

Vieles, was gemeinhin als "Fakt" galt, wird in Frage gestellt. Die gleiche Methode wendet nun auch die Rechte an. Mit Donald Trump und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau, der sich öffentlich als "Feminist" bezeichnet hat, sind in Nordamerika beide Positionen räumlich sehr nah beieinander in einer Rivalität.

In Europa werden "alternative facts", oder eine andere Form der Nachrichtenberichterstattung, von dem russischen Staatssender Russia Today vertreten. Manchmal kann es erfrischend sein, sich mit dieser anderen Sicht auf die Welt zu konfrontieren. Es ist vielleicht der neue "Kalte Krieg", von dem vor einiger Zeit der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedjew sprach.

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"fly-over states"
Ein Begriff ist heute Abend hängengeblieben: "fly-over states". Staaten in den USA, über die die Flugzeuge fliegen ohne dort zu landen, wo nichts los ist.

Auf Deutschland bezogen könnten das Brandenburg und Sachsen-Anhalt auf der ICE-Strecke Berlin-Hannover sein, wo auch kein ICE an einem Bahnhof hält.

Was passiert in den "fly-over states"? Man könnte vielleicht antworten: Donald Trump wird dort gewählt. Andererseits gibt es dort den "Reichtum der Weite", große Horizonte.

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Samstag, 13. Januar 2018
Groko - No Groko
Die SPD debattiert schon seit einiger Zeit heftig das Thema: Groko oder No Groko. Heute hat sich Sigmar Gabriel in Sachsen-Anhalt für eine erneute Große Koalition ausgesprochen. Der Bundesvorstand plädiert ebenfalls dafür. Dagegen haben sich die Jusos klar gegen eine Große Koalition ausgesprochen. Auf wen soll man hören?

Was wäre, wenn die SPD-Basis den ausgehandelten Koalitionsvertrag ablehnt? Wäre Deutschland dann längere Zeit in einer Krise? Was würde das für Europa bedeuten? Wäre es eine Gefahr für die EU - oder eher eine Chance?

Laut Außenminister Sigmar Gabriel befindet sich die EU in einer Rivalität mit den USA, Russland und China. Er betont immer wieder, dass wir ein starkes Europa benötigen, um in der Welt gehört und ernst genommen zu werden.

Interessant wäre eine Betrachtung vor dem Hintergrund der drei Großtheorien der Internationalen Beziehungen - Realismus, Liberalismus, Kritische Theorie. Realismus und Liberalismus gehen beide von einer Welt der Nationalstaaten aus, der Realismus betont jedoch stärker die Homogenität der Staaten, das Primat des Militärischen und er sieht die Internationalen Beziehungen als Nullsummenspiel.

Der Liberalismus betont die Vielstimmigkeit von Nationalstaaten, sieht eher die Rolle der Wirtschaft als wichtig an und argumentiert, dass von gemeinsamer Kooperation die Weltgemeinschaft insgesamt profitiert, dass also kein Nullsummenspiel besteht, wo der Aufstieg eines Landes den Niedergang eines anderen bedeutet.

Die Kritische Theorie - marxistische und feministische Sichtweisen auf die Welt - negieren die grundlegende Struktur der Welt als nationalstaatliche Welt, sondern sehen eher andere Herrschaftsmuster von Abhängigkeit und Dominanz: zum einen die Dominanz des Kapitals, zum anderen die Dominanz des Patriarchats. Die Nationalstaaten sind lediglich Vehikel, die diese Herrschaftsstrukturen aufrechterhalten.

Allgemein beobachte ich einen starken Vertrauensverlust in die Politik, parallel mit einem "Konsumrausch". Das Ökonomische steht also stark im Vordergrund. Auch die viel zitierte Digitalisierung ist eng mit der Ökonomie verwoben. Dem würde eine Rückkehr zur Natürlichkeit und Einfachheit entgegen stehen, wie sie in fundamental-grünen Entwürfen existiert.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was würde eine Große Koalition bewirken, was die Verweigerung derselben durch die SPD? Eine offene Frage ist, wie stark die AfD in dieser (neuen) Situation ist.

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Donnerstag, 28. Dezember 2017
EU: Großbritannien, Ukraine, Türkei
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat zu Weihnachten den Gedanken geäußert, dass ein gut ausgehandeltes Nach-Brexit-Abkommen zwischen der EU und Großbritannien auch ein Modell sein könnte, das auf die Türkei und die Ukraine angewendet werden könnte. Dadurch würden diese beiden Länder vertraglich mit der EU verbunden (was sie ja auch jetzt schon sind), ohne Vollmitglieder zu werden.

Den Gedanken finde ich ganz sinnvoll, auch wenn ich mir für die Ukraine eigentlich eine Vollmitgliedschaft wünschen würde. Realistisch gesehen dürfte das jedoch die Spannungen mit Russland sehr unvorhersehbar werden lassen. Das ist traurig.

Was die Türkei betrifft, so war ich bislang der Meinung, auch die Türkei sollte Vollmitglied in der EU werden können. Inzwischen bin ich da stark im Zweifel, zu sehr sind die Menschenrechte in der Türkei in den letzten Jahren abgebaut und eingeschränkt worden. Die Inhaftierungs- und Entlassungswellen stehen der EU-Mitgliedschaft entgegen. Vielleicht ist die Türkei auch zu sehr ein nahöstliches Land als ein europäisches Land.

Viel wird davon abhängen, wie die weitere Reform der EU ablaufen wird. Auch hier wird ja von einem "Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten" gesprochen, etwa mit Blick auf die unterschiedlichen Prioritäten in den östlichen und den westlichen Mitgliedsländern. Zu beobachten ist aber auch, dass Dänemark seine Grenzkontrollen zu Deutschland verstärkt und verstetigt. Die Unterschiede verlaufen also nicht nur zwischen Ost und West.

Neben dem Euro ist es vor allem die Europäische Bürgerschaft (mit dem europäischen Pass), die die Verbundenheit der EU-Europäer über ein bloßes Freihandelsabkommen hinaus ausmacht. Sie würde demnach bei Briten, Türken und Ukrainern nicht greifen.

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