Mittwoch, 26. September 2018
Humanisierung statt Digitalisierung
In der heutigen Zeit wird "Digitalisierung" fast immer als unumgänglich dargestellt. Ich frage mich, weswegen es keine politische Kraft, keine Partei, gibt, die sich dagegen stellt. Die Grünen wären meiner Ansicht nach prädestiniert dafür, sind aber selbst oft Treiberinnen der Digitalisierung.

Laut gültigem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD auf Bundesebene sollen in den nächsten Jahren die digitalen Vertriebs- und Informationskanäle im ÖPNV ausgebaut werden. Wieso werden die Mittel eigentlich nicht in menschliche Vertriebs- und Informationskanäle im ÖPNV gesteckt? An vielen Stellen werden Verkaufsstellen und Auskunftsschalter eingespart, weil sie sich betriebswirtschaftlich nicht lohnen. Da könnte doch die Regierung einspringen und mit einer entsprechenden Förderung für den Erhalt und den Ausbau dieser menschlichen Variante sorgen.

Für die Versorgung auf dem Land und für gleichwertige Lebensverhältnisse in den Regionen würde eine solche "Humanisierung" meiner Ansicht nach mehr bringen als eine Digitalisierung, denn ein Ausbau der Bahnhofsschalter und Reisebüros würde für menschliche Ansprechpartner sorgen, die in vielen Lebenslagen unkompliziert helfen und unterstützen können. Solche Anlaufstellen könnten auch andere Aufgaben übernehmen: Zeitungs- und Kaffee-/Snack-Verkauf, Poststelle oder Touristeninformation.

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Mittwoch, 12. September 2018
Umverteilung
Allgemein wird es als Aufgabe des Sozialstaats bzw. des Wohlfahrtsstaats angesehen, für eine Umverteilung des Reichtums von oben nach unten zu sorgen. Dazu gibt es zum Beispiel bei der Einkommensbesteuerung die Progression, wonach Menschen mit sehr hohem Einkommen einen höheren Prozentsatz Steuern auf das Einkommen zahlen als Menschen mit sehr niedrigem Einkommen.

Obwohl es solche Regelungen gibt, sind in den letzten Jahrzehnten die Einkommen der oberen Schichten deutlich stärker gestiegen als diejenigen der unteren Schichten. Die jetzige Bundesregierung hat zwar einige Maßnahmen ergriffen, die für eine gewisse Umverteilung sorgen sollen, etwa die Wiedereinführung der Parität bei der Krankenversicherung. Parallel dazu gibt es aber auch Maßnahmen wie das Baukindergeld, von denen eher mittlere Schichten profitieren. Alles in allem führen diese Maßnahmen nicht dazu, dass eine Umverteilung von ganz oben nach ganz unten stattfindet, sondern es findet eher ein "trickle-down", ein "Durchtropfen" des Reichtums von oben nach unten statt, von dem die untersten Schichten zwar auch profitieren, jedoch in geringerem Maße als die darüber liegenden.

Eine realistische, finanzierbare Maßnahme, die eine solche sinnvolle Umverteilung von ganz oben nach ganz unten schaffen würde, wäre ein Grundeinkommen in Höhe von 500-600 Euro, wenn es kombiniert würde mit einer Steuerreform, die vor allem sehr hohe Einkommen sowie Einkommen aus Kapital und Vermietung stärker besteuern würden. Parallel dazu bräuchte es ergänzend Sozialleistungen für diejenigen, die nicht in der Lage sind, selbst etwas zu diesem Grundeinkommen dazu zu verdienen.

Simulationsrechnungen in Finnland hatten vor ca. zehn Jahren ergeben, dass bei einem solchen Grundeinkommen (damals lag der Wert bei 400-500 Euro) kombiniert mit der Erhöhung des Spitzensteuersatzes und seiner Ausweitung auf Kapital- und Mieteinkünfte zu einer Belastung der oberen zwanzig Prozent, aber zu einer Verbesserung des Einkommens der unteren zwanzig Prozent führen würde. Die 60 Prozent dazwischen blieben weitgehend unberührt, da Steuererhöhungen und neues Grundeinkommen sich halbwegs ausgleichen würden. Einen ähnlichen Vorschlag für Deutschland hatten damals die Grünen in Baden-Württemberg gemacht.

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Montag, 10. September 2018
Wahl in Schweden
Gestern war ein sehr schöner Spätsommertag. Ich selbst war erkältet und hörte nur die Kinderstimmen von draußen. Mir gingen einige Romananfänge durch den Kopf, die damit beginnen: "Es war einer der letzten unbeschwerten Sommertage, dennoch lag schon eine gewisse Schwere in der Luft, die auf die kommenden Ereignisse hindeuten sollte..."

Es war auch der Tag der Wahl in Schweden, und mit einer gewissen Spannung habe ich auf den Abend und die Wahlergebnisse gewartet. Die Auszählung verlief sehr spannend. Am Ende war das Ergebnis nicht ganz so schlimm, wie befürchtet, analysierten zumindest die "Tagesthemen". Dennoch hieß es am nächsten Morgen bei tagesschau.de, dass in Schweden eine "politische Zeitenwende" stattgefunden habe.

Ich finde es sehr schwer, eine Position zu bestimmen, wo wir uns befinden. In manchen Aussagen heißt es, wir wären in einer Situation wie in den 1930er Jahren. Vor drei Jahren habe ich auch so gedacht, als ich das erste Mal "Lügenpresse" in der Kirchengemeinde gehört habe. Auch in den Analysen der Wahl in Schweden hieß es unter anderem, dass die politischen Ränder, Schwedendemokraten und Linkspartei, zugelegt hätten - ähnlich wie in der Weimarer Republik.

Immerhin: Auch die Zentrumspartei in der Mitte des Parteienspektrums hat zugelegt. Und die demokratischen Parteien, die den Schwedendemokraten gegenüber stehen, haben 80 Prozent der Stimmen erhalten. Man könnte auch sagen: Das Glas ist halb voll, wir sind nicht in der gleichen Situation wie in den 1930er Jahren. Dennoch scheint eine konfliktreiche Phase in der europäischen Geschichte begonnen zu haben.

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