Samstag, 1. September 2018
Die gefährliche Euphorie
Ende 2015 herrschte meiner Ansicht nach eine Euphorie in Deutschland in Bezug auf die Flüchtlingsaufnahme und die "Willkommenskultur": auf einmal wollten alle den Flüchtlingen helfen, nicht nur die "üblichen Verdächtigen". Der Umschwung kam sehr rasant. Mich hat das damals sehr beängstigt, denn: Ich habe Deutschland eigentlich nie als so besonders offenes und tolerantes Land erlebt. Mir hat Angst gemacht, was passiert, wenn es zu den ersten Vergewaltigungen und Todesfällen kommt, ob dann nicht die Stimmung umschlägt und eine nationalsozialistische Strömung die Oberhand gewinnt.

Meine Skepsis wurde damals, Ende 2015, geteilt von anderen Beobachterinnen und Beobachtern von außerhalb Europas, die ich damals zum Jahresende in einer Jugendherberge getroffen habe. Gerade Reisende aus Brasilien, Indonesien und Russland (das natürlich zum Teil zu Europa gehört) äußerten mir gegenüber ihre Besorgnis, ob die Deutschen noch ganz klar bei Verstand wären, dass sie auf einmal jubeln und klatschen, wenn so viele Flüchtlinge ins Land kommen.

Meine Sorge, Deutschland könnte wieder einmal in Folge der Flüchtlingsaufnahme nationalsozialistisch werden, reichte so weit, dass ich kurze Zeit später beschloss, Mitglied der SPD zu werden, um die demokratische Tradition in Deutschland zu stärken. Das hat mich ein bisschen beruhigt. Paradoxerweise haben mich auch die AfD-Erfolge bei den Landtagswahlen und bei der Bundestagswahl ein Stück weit beruhigt. Meine Befürchtungen, die mir zunächst niemand glauben wollte, wurden dadurch sichtbar. Auf einmal fühlte ich mich nicht mehr allein mit meinen Ängsten.

Jetzt, mit den Bildern von Chemnitz vor Augen, fühle ich mich wieder etwas beunruhigter. Zumal ich immer noch die Diskrepanz verspüre, dass man mit Rezepten, die notwendig gewesen wären um die "Gastarbeiter" der 1980er Jahre zu integrieren, die man aber damals abgelehnt hat - und sich damit dieser Einwanderergeneration gegenüber schuldig gemacht hat -, nun versucht, auf die Flüchtlingszuwanderung zu reagieren. In meinen Augen ist das gefährlich, denn eine Einwanderung auf Grund von Anwerbung ist etwas ganz anderes als eine Einwanderung auf Grund von Flucht vor politischer Verfolgung und Bürgerkrieg. Ich finde das wirklich gefährlich. Integrationskurse wären das richtige für die südeuropäischen und türkischen "Gastarbeiter" gewesen. Für Flüchtlinge wären dagegen psychologische Betreuung und Psychotherapie wichtiger als Integrationskurse, so meine Meinung. Hier wurde von Seiten der Flüchtlingsbefürworter auf schlechte Weise das Argument des Fachkräftemangels mit dem Recht auf Asyl vermischt, was sich in den angewandten Rezepten auf ebenso schlechte Weise widerspiegelt.

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Mittwoch, 15. August 2018
Raus aus den Schützengräben!
"Gutmensch" ist heutzutage ein Schimpfwort. Das ist traurig.

Die Reaktion derjenigen, die sich als Gutmenschen empfinden, ist jedoch nicht hilfreich, verständlich zwar, aber nicht hilfreich: Sie verschanzen sich in ihren Schützengräben und feuern von dort aus Argumentationssalven auf ihre ideologischen Gegner.

Um Brücken zwischen den verfeindeten Lagern zu bauen, wäre es nötig, sich den Argumenten der Gegenseite zu stellen, auch wenn das zunächst schwerfällt.

Beispielhaft kann man das an der jetzt aufkommenden Diskussion von einem "Spurwechsel" verdeutlichen. Mit "Spurwechsel" ist gemeint, dass jemand, der keinen Erfolg mit seinem Asylantrag hatte, weil die Gründe für den Asylschutz offensichtlich nicht ausreichen, ein Bleiberecht nach einem neuen Einwanderungsgesetz erhält, wenn er sich gut integriert hat, das heißt eine Ausbildung abgeschlossen hat und einen Arbeitsplatz hat.

Das mag nach einer vernünftigen, humanen Regelung klingen - also sehr "gutmenschlich" sein - aber es ist letztlich eine Amnestie, und die ist eine schwierige Sache, da sie immer in Konflikt mit dem Gerechtigkeits- und Rechtsempfinden einiger Menschen gerät. Denn genauso gut könnte man argumentieren: Wir brauchen dringend Facharbeiter, also entlassen wir alle Strafgefangenen, die weniger als zwei Jahre Reststrafe haben (nur um ein Beispiel zu nennen), aus den Gefängnissen. Auch das könnte eine vernünftige, humane Lösung für den Facharbeitermangel sein.

Hier stellt sich die Frage: Würden diejenigen, die jetzt den "Spurwechsel" für gescheiterte Asylbewerber befürworten, es genauso gut finden, wenn Strafgefangene vorzeitig entlassen würden, weil diese - mit entsprechender Unterstützung - ja auch gute Facharbeiter werden könnten? Ich bin mir da nicht so sicher und habe da meine Zweifel. Aber genau das ist der Punkt, wo "Gutmenschen" auch einmal die Perspektive wechseln und die Schützengräben verlassen müssten.

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Mittwoch, 8. August 2018
Kulturkampf
Wenn wir uns aktuell in einem "Kulturkampf" befinden, wie jetzt immer mal wieder zu hören und zu lesen ist, dann fände ich es schön, wenn auch die Seite, zu der ich mich zähle, etwas abrüsten würde und nicht immer mit weiteren zugespitzten Aussagen argumentieren würde.

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